Unterschriftensammlung „Ländle leben lassen“
Wird der Flächenverbrauch im Land der „Häuslebauer“ gefährlich groß? Ingrid Hagenbruch, Erste Vorsitzende des Bundesbündnisses Bodenschutz Weinheim, und Jörg Steinbrenner (BUND, r.) sammelten an der „Reiterin“ Unterschriften für den Volksantrag „Ländle leben lassen“. Foto: Kreutzer
Von Günther Grosch
Weinheim. „Auf dem Acker wächst Dein Gemüse. Auf dem Asphalt wächst nur der Verkehr“. Und „Landschaft bewahren, statt Zukunft verbauen“. Frank Reichenbacher vom Naturschutzbund (Nabu), Jörg Steinbrenner und Siegfried Demuth (BUND) sowie Ingrid Hagenbruch treibt es auf die Barrikaden. „In Baden-Württemberg verlieren wir Tag für Tag fünf bis sechs Hektar Boden. Wiesen, Wälder und Felder werden zugepflastert, die bis dahin für Landwirtschaft, Natur und Erholung zur Verfügung standen“, empört sich die Erste Vorsitzende des Bundesbündnisses Bodenschutz (BbB) Weinheim.
Allein die letzten beiden Generationen hätten so viel Boden verbraucht und zerstört, wie die 80 davor. Dies könne so nicht weitergehen, zeigte sich das Quartett am Samstag zum Auftakt des von einem breiten Bündnis aus 16 Umwelt-, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden getragenen Volksantrags „Ländle leben lassen“ einig. Erklärtes Ziel des Volksantrags ist es, gegen den „verheerenden Flächenfraß“ im Land vorzugehen. Man könne und wolle nicht länger untätig zusehen, wie die Landschaft weiter zersiedelt und die Lebensqualität der Menschen zerstört werde, so Hagenbruch. Das Bundesbündnis Bodenschutz Weinheim und seine regionalen Mitglieder Nabu, BUND, Bürgerinitiative (BI) Breitwiesen und der Bauernverband Weinheim setzen sich schon seit Jahren für den Erhalt der Lebensgrundlage Boden ein.
Die Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung mit Lebensmitteln sowie der Erhalt ihrer Landschaft und Naturräume stellten für die Menschen existenzielle Fragen dar, erklärt Hagenbruch. Sie stieß damit bei vielen Passanten am Stand des Bündnisses in der Fußgängerzone auf Zustimmung. Jeder Hektar Boden, der bebaut werde, bedeute einen Verlust an Wasseraufnahmekapazität und Grundwasserneubildung, von natürlicher Kühlfunktion und Kohlenstoff-Speicherfähigkeit. Nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes müsse endlich der enorme Flächenverbrauch gestoppt werden: „Deshalb unterstützen wir den Volksantrag.“
Die Ausweisung neuer Baugebiete sei offenbar viel einfacher als eine intelligente Innenentwicklung, assistierte Jörg Steinbrenner. Daher reichten die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Mit dem Volksantrag wolle man eine Diskussion über Mittel zur wirksamen Reduktion des „Flächenfraßes“ anstoßen und gesetzliche Instrumente dazu einführen.
Frank Reichenbacher verdeutlichte noch einmal den Wert von freiem Boden für das Klima. „Grünland ist ein großartiger Speicher für Kohlenstoffdioxid.“ Wenn man diesen versiegele, könne kein CO2 mehr im Boden gebunden werden. Aber auch bei Starkregenereignissen steige das Risiko von Sturzfluten und Hochwassern: „Wasser kann nicht mehr versickern, und der Wasserkreislauf wird gestört.“ Asphalt und Beton sorgten zusätzlich für noch größere Hitze in den Städten. Mit dem ungebremsten Flächenverbrauch nehme sich der Mensch folglich Potenziale für den Klimaschutz und die Anpassung an die Klimakrise. In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die grün-schwarze Landesregierung, den Flächenverbrauch auf zunächst 2,5 Hektar pro Tag zu begrenzen und bis 2035 auf (netto- )null zu reduzieren, klärte Siegfried Demuth auf. Doch mit den bisher ergriffenen Maßnahmen werde sie dieses Ziel nicht erreichen: „Tatsächlich steigt der Flächenverbrauch seit 2018 wieder deutlich an.“ Deshalb bedürfe es intelligenter Lösungen und verbindlicher Obergrenzen.
Die baulichen Bedürfnisse der Gesellschaft für Wohnen, Arbeiten und Freizeit müssten vorrangig durch Innenentwicklung befriedigt werden, so Demuth weiter: „Leerstände, Industriebrachen, Baulücken sowie bauliche und nicht-bauliche Potenziale müssen aktiviert werden.“ Darüber hinaus brauche man insgesamt einen sehr viel sparsameren Umgang mit dem „kostbaren und endlichen Gut Fläche“. Dass die für den Volksantrag – der nicht mit einem Volksbegehren zu verwechseln ist – erforderlichen 40 000 Stimmen zusammenkommen, daran hegen Nabu, BUND, BI Breitwiesen und Bundesbündnis Bodenschutz keine Zweifel. Sie gehören wie die zwölf anderen regionalen Bündnisse dem Träger- und Unterstützerkreis des Antrags an. „Dann muss der Landtag über den Volksantrag beraten und die Initiatoren anhören“, gibt sich Demuth vom Erfolg der Aktion überzeugt.